Zum Verhältnis von § 93 Abs 1 JN und § 14 Abs 1 KSchG
Fortschreibung der Rechtsprechung, dass der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN gegenüber Verbrauchern nur mit der Beschränkung des § 14 Abs 1 KSchG begründet werden kann, nach einer Auseinandersetzung mit der in Teilen der Literatur vertretenen gegenteiligen Ansicht.
Eine Unternehmerin brachte eine Zahlungsklage gegen zwei solidarisch haftende Verbraucher mit unterschiedlichen allgemeinen Gerichtsständen am allgemeinen Gerichtsstand des Erstbeklagten ein. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts hinsichtlich der Zweitbeklagten stützte sie auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN.
Der letzte Halbsatz des § 93 Abs 1 JN schließt den Wahlgerichtsstand der Streitgenossenschaft aus, wenn das Gericht auch durch Vereinbarung der Parteien nicht zuständig gemacht werden kann. Nach § 14 Abs 1 KSchG kann für eine Klage gegen einen im Inland wohnhaften, gewöhnlich aufhältigen oder beschäftigten Verbraucher auch durch eine Gerichtsstandsvereinbarung (§ 104 Abs 1 JN) nur die Zuständigkeit des Gerichts begründet werden, in dessen Sprengel der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt oder der Ort der Beschäftigung liegt (außer die Rechtsstreitigkeit wäre bereits entstanden). Der Oberste Gerichtshof schloss daraus regelmäßig (zuletzt 2005), dass der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN gegenüber Verbrauchern nur mit der Beschränkung des § 14 Abs 1 KSchG begründet werden kann.
Teile der Literatur treten dieser Rechtsprechung entgegen. Sie befürworten unter Hinweis auf den Willen des historischen Gesetzgebers eine teleologische Reduktion des letzten Halbsatzes des § 93 Abs 1 JN auf die unprorogable sachliche Unzuständigkeit. Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach § 93 Abs 1 JN stehe daher auch gegen Verbraucher unbeschränkt zur Verfügung.
Der Oberste Gerichtshof setzte sich mit den Argumenten der Lehre auseinander und schrieb seine bisherige Rechtsprechung fort: Eine teleologische Reduktion setzt den Nachweis voraus, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre. Beim letzten Halbsatz des § 93 Abs 1 JN fehlt es jedenfalls an der zweiten Voraussetzung: Es ist weder sachlich ungerechtfertigt noch willkürlich, dem Kläger den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft zu verwehren, wenn es gesetzliche Prorogationsverbote gibt – unabhängig davon, ob diese die sachliche oder die örtliche Zuständigkeit betreffen.