Zur Anspannungsobliegenheit eines unterhaltsberechtigten Kindes
Auch von einem unterhaltsberechtigten Kind ist zu verlangen, die ihm zustehenden Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, widrigenfalls es so zu behandeln ist, als hätte es die entsprechenden Anträge gestellt. Nicht alle Sozialleistungen mindern allerdings den Unterhaltsbedarf des Kindes.
Der Vater war bisher verpflichtet, seinem zwar erwachsenen, aber wegen einer Behinderung erwerbsunfähigen Sohn einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von rund 180 EUR zu zahlen. Nachdem der Vater nach einem schweren Unfall nur mehr eine Invaliditätspension von rund 1.100 EUR monatlich bezieht, beantragte er die Feststellung, dass seine Unterhaltspflicht erloschen sei. In diesem Zusammenhang machte er vor allem geltend, sein Sohn habe als geistig Behinderter Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen, wobei die Mindestsicherung mehr als 800 EUR pro Monat betrage. Er müsse sich diese Beihilfen auch dann anrechnen lassen, wenn er sie tatsächlich nicht in Anspruch nimmt. Mit diesen Einkünften – und dem darüber hinaus bezogenen Pflegegeld – wäre er ausreichend versorgt und benötigte keinen Unterhalt vom Vater mehr.
Die Gerichte erster und zweiter Instanz wiesen den Antrag des Vaters ab. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes seien nur tatsächlich bezogene Einkünfte zu berücksichtigen; eine Anspannungsobliegenheit zur Erzielung möglicher und zumutbarer Einkünfte bestehe auch im Zusammenhang mit Sozialleistungen für ein nicht selbsterhaltungsfähiges Kind nicht.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Fortbestehen der Unterhaltspflicht des Vaters (zumindest) in der bisherigen Höhe, nahm jedoch eine Obliegenheit des Kindes an, solche öffentlich-rechtlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen, die unterhaltsrechtlich als Eigeneinkommen zu qualifizieren sind. Für den konkreten Fall gelangte er zum Ergebnis, dass zwar die „Hilfe zum Lebensunterhalt“ nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz in Höhe von rund 450 EUR monatlich als fiktives Eigeneinkommen des Kindes zu berücksichtigen ist, auch wenn es diese Sozialleistung tatsächlich nicht bezieht. Anderes gilt hingegen für die Mindestsicherung nach dem Steiermärkischen Mindestsicherungsgesetz. Deren Bezug kann den Unterhaltspflichtigen nämlich deshalb nicht entlasten, weil Unterhaltsansprüche des Kindes bis zur Höhe der bezogenen Mindestsicherung auf den Träger der Mindestsicherung übergehen und von diesem geltend gemacht werden können.