Zur Aufklärungspflicht eines Rechtsanwalts
Ein Rechtsanwalt muss einen potenziellen Mandanten nicht auf die Möglichkeit der kostenlosen Vertretung vor Gericht durch die Arbeiterkammer in einer arbeits- oder sozialrechtlichen Angelegenheit hinweisen.
Der Beklagte war als Universitätsprofessor bei der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien angestellt. Darüber hinaus war er auch bei der Wiener Staatsoper angestellt und Mitglied der Wiener Philharmoniker. Die Universität sprach gegenüber dem Beklagten wegen des (von diesem bestrittenen) Vorwurfs sexueller Übergriffe an jungen Männern die Entlassung aus. Dies hatte die sofortige Dienstfreistellung des Beklagten bei der Staatsoper und den Wiener Philharmonikern zur Folge. Der Beklagte konsultierte die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft und beauftragte diese in der Folge mit der gerichtlichen Vertretung vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien zur Bekämpfung der Entlassung und Geltendmachung von damit in Zusammenhang stehenden Ansprüchen.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung des Anwaltshonorars.
Der Beklagte wendete ua ein, die Klägerin hätte ihn über die Möglichkeit, sich im Prozess kostenlos von der Arbeiterkammer vertreten zu lassen, aufklären müssen. Diesfalls hätte er diese Möglichkeit ergriffen und wäre keinem anwaltlichen Honoraranspruch ausgesetzt. Darin bestehe sein Schaden, den er aufrechnungsweise geltend mache.
Die Vorinstanzen verurteilten den Beklagten zur Zahlung des Anwaltshonorars für die erbrachten Leistungen.
Der OGH billigte das Urteil des Berufungsgerichts und dessen Begründung: Danach ist es Sache des Rechtssuchenden, sich vor einer Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts darüber zu informieren, ob kostengünstigere oder gar unentgeltliche Vertretungsmöglichkeiten bestehen. Von einem Anbieter entgeltlicher Dienstleistungen zu verlangen, einen Interessenten auf günstigere Konkurrenzangebote hinzuweisen und damit die eigenen ökonomischen Grundlagen zu untergraben, überschritte die Grenzen einer Aufklärung, die ein mündiger Konsument vernünftigerweise erwarten darf.