Zur Beweisführung über das (jugendliche?) Alter eines Angeklagten
Ein Schöffengericht verurteilte den – als Asylwerber ohne Dokumente in Österreich aufhältigen – Angeklagten wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer Delikte zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Es ging dabei entgegen den Angaben des Angeklagten, der behauptete, erst 17 Jahre alt zu sein, davon aus, dass dieser zur Tatzeit bereits älter als 21 Jahre war, und verneinte daher die Anwendbarkeit des Jugendstrafrechts (§ 5 Z 4 JGG) und der Sonderbestimmungen für junge Erwachsene (§ 36 StGB). Zur Begründung stützte es sich insbesondere auf das (im Urteil detailliert beschriebene) Aussehen des Angeklagten, aber auch auf den Umstand, dass dieser die Durchführung einer Röntgenuntersuchung zum Zweck der Erstellung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens über sein Alter verweigert hatte.
Der Oberste Gerichtshof wies die gegen das Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurück und führte dazu unter anderem aus, dass der Angeklagte zwar aufgrund des aus Art 6 MRK abzuleitenden Verbots der Ausübung von Zwang zur Selbstbelastung und des Selbstbestimmungsrechtes über seinen Körper (Art 8 MRK) berechtigt war, seine Zustimmung zu einem körperlichen Eingriff, wozu auch eine Röntgenuntersuchung zählt, zu verweigern. Diese Untersuchung durfte demnach auch nicht zwangsweise vorgenommen werden.
Gestützt auf die Judikatur des EGMR zur Verwertung des Schweigens des Angeklagten kam der OGH aber zum weiteren Ergebnis, dass durch die beweiswürdigende Verwertung der Weigerung des Angeklagten, einer Röntgenuntersuchung zuzustimmen, seine Rechte im konkreten Fall dennoch nicht verletzt worden sind, weil das Schöffengericht diesen Umstand weder ausschließlich noch hauptsächlich als Begründung für die – überdies nicht für die Schuld-, sondern nur die Straffrage bedeutsame – Altersannahme herangezogen hat, vielmehr die vorliegenden Verfahrensergebnisse geradezu danach riefen, dass der Angeklagte zur Überprüfung seiner Behauptung einer Röntgenuntersuchung zustimmt.