Zur Frage der unlauteren Irreführung bei statistischen Erhebungen
Allein der Umstand, dass ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise trotz eines deutlichen Hinweises über die Ergebnisse einer Reichweitenuntersuchung irrt, stützt noch nicht den Vorwurf einer unlauteren Irreführung.
Die Klägerin ist Medieninhaberin einer monatlich erscheinenden Wohnzeitschrift und war Mitglied des beklagten Vereins. Dessen statutenmäßiger Zweck ist im Wesentlichen die Durchführung bzw Veranlassung von Reichweitenuntersuchungen von Werbeträgern wie zB Zeitungen oder Zeitschriften. Der Beklagte führt in Österreich jährlich die sogenannte Media-Analyse durch. Dabei handelt es sich um die größte Untersuchung über das Mediennutzungsverhalten der österreichischen Bevölkerung. Ziel ist es, das Medien- und Verbraucherverhalten der Österreicher objektiv darzustellen, also zu erheben, welche Reichweiten einzelne Werbeträger aufweisen. Bestreben der Media-Analyse ist es, die Ergebnisse nach den Kriterien der Methodenlehre bestmöglich zu erheben. Anlage und Durchführung der Media-Analyse lassen keine methodischen Mängel erkennen. Sie entsprechen dem internationalen Standard.
Der Beklagte informiert in allen Publikationen darüber, dass die erhobenen Daten der statistischen Schwankungsbreite unterliegen. Dies erfolgt an mehreren Stellen in den Jahres-Berichtsbänden und auf der Website. Die Schwankungsbreiten werden im Jahresbericht erläutert. Dort wird angegeben, dass die ausgewiesenen Werte die Werte mit der größten Wahrscheinlichkeit repräsentieren und der tatsächliche Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit innerhalb der Schwankungsbreite liegt. Diese Information bedeutet im Umkehrschluss, dass die tatsächlichen Werte mit 5% Wahrscheinlichkeit außerhalb der Schwankungsbreite liegen.
32 % der Anzeigenkunden österreichischer Wohnzeitschriften gehen von der falschen Vorstellung aus, dass die veröffentlichten Reichweiten der Media-Analyse immer im Rahmen der statistischen Schwankungsbreiten liegen und den tatsächlichen Reichweiten entsprechen. 7 % der gesamten Anzeigenkunden halten es zu Unrecht für überprüfbar, dass die tatsächlichen Reichweiten wirklich innerhalb der statistischen Schwankungsbreiten liegen.
Die Klägerin begehrt, dem Beklagten die Veröffentlichung und Verbreitung irreführender Angaben über Reichweiten periodischer Druckschriften zu verbieten. Die vom Beklagten veröffentlichten Reichweitendaten seien unüberprüfbar, die tatsächlichen Leserzahlen lägen außerhalb der statistischen Schwankungsbreite lägen und könnten von den Ergebnissen der Media-Analyse grob abweichen. 39 % der Anzeigenkunden hätten in diesem Punkt falsche Vorstellungen von der Media-Analyse. Die Geschäftspraktik des Beklagten sei irreführend, weil dieser den angesprochenen Verkehrskreisen die Information vorenthalte, dass die tatsächlichen Leserzahlen grob (außerhalb der statistischen Schwankungsbreite) von den veröffentlichten Reichweiten abweichen könnten.
Der Oberste Gerichtshof wies das Unterlassungsbegehren ab. Aufklärende Hinweise sind grundsätzlich geeignet, die Irreführung zu beseitigen. Aus dem Hinweis des Beklagten ergibt sich zwingend, dass die veröffentlichten Werte auch außerhalb der Schwankungsbreite liegen könnten, weshalb keine Irreführung durch vom Beklagten unterlassene Aufklärung vorliegt. Die Klägerin hat die Richtigkeit dieses Hinweises gar nicht bestritten. Sie stützte den Vorwurf der Irreführung ausschließlich auf das Ergebnis der Umfrage unter Anzeigenkunden, ohne sich auch nur ansatzweise inhaltlich mit dem Hinweis des Beklagten auseinanderzusetzen.
Dieser Hinweis entspricht auch der üblichen Vorgangsweise bei statistischen Erhebungen. Jedes Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unterliegt einer Schwankungsbreite (Konfidenzintervall), wobei noch die Einschränkung auf ein Vertrauensintervall (Signifikanzniveau) von üblicherweise ca 95% hinzukommt. Damit bestimmt das (beliebig gewählte) Ausmaß des Signifikanzniveaus die Schwankungsbreite.
Aus den Handlungen des Beklagten, der sich auf methodisch einwandfrei und plausibel erhobene Zahlen einer statistischen Erhebung stützen kann, diese Zahlen auch nach den gängigen Grundsätzen der Statistik darstellt und über die Schwankungsbreite branchenüblich aufgeklärt hat, lässt sich keine unlautere Irreführung ableiten. Allein der (dem Beklagten nicht zurechenbare) Irrtum eines beträchtlichen Teils der Anzeigenkunden österreichischer Wohnzeitschriften über die Aussagekraft der im Rahmen der Media-Analyse veröffentlichten Zahlen zur Reichweite bestimmter Medien kann den geltend gemachten Anspruch nicht stützen.