Zur Haftung bei Baustellenunfällen
Verletzt sich ein auf einer Baustelle tätiger selbständiger Unternehmer wegen einer nicht ausreichend abgesicherten Gefahrenquelle, hat der Bauherr als sein Vertragspartner dafür einzustehen. Der Schadenersatzanspruch ist wegen Mitverschuldens zu kürzen, wenn der Verletzte durch unvorsichtiges Verhalten zum Unfall beigetragen hat.
Ein Gastwirt ließ als Bauherr Personalwohnungen errichten und bestellte einen Baumeister zum Baustellenkoordinator, der insbesondere für die Sicherheit auf der Baustelle sorgen sollte. Dieser gab die Anweisung, einen Lichtschacht absturzsicher abzudecken, wobei die Abdeckung so fest angebracht werden müsse, dass sie nicht verschoben werden kann. Es wurden dann drei Schallbretter aufgelegt, an der Oberseite an einem mit Dübeln verschraubten Kantholz befestigt und (aus Stabilitätsgründen) mit Querleisten miteinander verbunden. Die darüber hinaus angezeigten Sicherungsmaßnahmen, insbesondere das Anbringen von Geländern zwischen dem abgedeckten Schacht und der unmittelbar daran vorbeiführenden Betonstiege, wurden unterlassen. Als der spätere Kläger, ein mit Betonbohrarbeiten beauftragter selbständiger Unternehmer, in diesem Bereich arbeitete, nahm er den an sich dafür nicht vorgesehenen Weg über die Abdeckung, weil die Betonstiege verstellt war. Dabei rutschten die Abdeckbretter weg, er fiel vier Meter in die Tiefe und verletzte sich schwer. Der beklagte Bauherr bestritt seine Haftung insbesondere mit dem Argument, er habe ohnehin einen Baustellenkoordinator bestellt. Darüber hinaus sei der Kläger an dem durch sein unvorsichtiges Verhalten herbeigeführten Unfall selbst schuld.
Das Erstgericht nahm eine Haftung des Bauherrn an, minderte diese aber wegen des Mitverschuldens des Klägers auf 50 %. Das Berufungsgericht wies die Klage hingegen zur Gänze ab, weil sich der Kläger in eine offensichtliche Gefahr begeben habe und damit eine Verletzung von Fürsorgepflichten des Bauherrn ausscheide.
Der Oberste Gerichtshof stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her. Er stellte klar, dass die Bestellung eines Baustellenkoordinators den Bauherrn nur gegenüber geschädigten Arbeitnehmern von seiner Haftung befreien kann. Bei der Verletzung eines selbständigen Unternehmers bleibt es bei der allgemeinen Fürsorgepflicht, die den Bauherrn als Werkbesteller unmittelbar trifft. Ihm sind gegenüber dem Geschädigten auch Unterlassungen eines mit der Koordination und Absicherung betrauten Fachmanns zuzurechnen. Von einem Alleinverschulden des Klägers kann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil für ihn keineswegs offensichtlich war, dass die Abdeckung bei einem Betreten wegrutschen könnte. Ihm ist aber dennoch ein Mitverschulden anzulasten, weil es ihm auch möglich gewesen wäre, den sichereren Weg über die Stiege zu nehmen und den dort befindlichen Hindernissen auszuweichen.