Zur Haftung bei fehlerhaftem Ergebnis einer Vorsorgeuntersuchung
Weist die Gynäkologin eine Patientin nicht darauf hin, dass sie nur Teile der jährlichen Krebsvorsorgeuntersuchung in ihrem Verantwortungsbereich übernehmen will, haftet sie auch für Fehler des von ihr mit der Begutachtung des Abstrichs beauftragten Pathologen.
Die spätere Klägerin suchte als Patientin die beklagte Gynäkologin in der Zeit von 2005 bis 2011 regelmäßig zur Vornahme von Kontrolluntersuchungen auf, bei denen insbesondere Krebsabstriche durchgeführt wurden. Die Patientin wurde nie informiert, von wem diese Abstriche begutachtet werden. Erstmals im Juni 2011 teilte ihr die Gynäkologin mit, dass der letzte Abstrich ungünstig beurteilt wurde und veranlasste intensivere Kontrollmaßnahmen. Dabei stellte sich ein schon weit fortgeschrittener Gebärmutterhalskrebs heraus. Bei fachgemäßer Untersuchung wären schon in den Jahren 2005 bis 2007 in den Abstrichen Hinweise auf eine beginnende Krebserkrankung zu finden gewesen. Wäre damals gleich eingegriffen worden, hätte das Entstehen von Krebs durch geringfügige Eingriffe verhindert werden können. Nun waren tiefgreifende Operationen erforderlich, die dauerhafte körperliche und seelische Beeinträchtigungen nach sich zogen.
Die Vorinstanzen wiesen das gegen die Gynäkologin erhobene Schmerzengeldbegehren ab, weil jedem Patienten bekannt sei, dass ein Facharzt nur im Rahmen seines Fachgebiets tätig werde. Durch die Übersendung der Gewebeproben an einen Pathologen habe die Gynäkologin als stillschweigend Bevollmächtigte einen zusätzlichen Vertrag zwischen der Patientin und dem weiteren Facharzt abgeschlossen. Für die unrichtige Begutachtung hafte nur der Pathologe. Der Gynäkologin selbst sei kein Fehlverhalten vorzuwerfen.
Der Oberste Gerichtshof schloss sich dieser Auffassung nicht an und sprach der Patientin Schmerzengeld in Höhe von € 35.000 zu. Er betonte, dass eine Patientin, die zur (regelmäßigen) Vorsorgeuntersuchung eine Gynäkologin aufsucht, annimmt, dass diese die Verantwortung für alle Teilleistungen übernimmt, die erforderlich sind, damit die von ihr erwartete Aussage über ein Krebsrisiko getroffen werden kann. Weist die Ärztin nicht darauf hin, dass ein weiterer Vertrag mit einem anderen Facharzt abgeschlossen werden muss, übernimmt sie auch die Begutachtung des Abstrichs in ihre Leistungspflicht. Sie haftet dann auch für den als Erfüllungsgehilfen beigezogenen Pathologen. Ob ihr selbst ein Fehler vorzuwerfen ist, ist für ihre Schadenersatzpflicht ohne Bedeutung.