Zur Richterausgeschlossenheit wegen vorangegangener Aburteilung von Beteiligten und zur Zulässigkeit der Vernehmung von Zeugen mit „Maske“
Erste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (1.) zur Richterausgeschlossenheit wegen vorangegangener Aburteilung von Beteiligten (§ 12 StGB) nach EGMR 16. 2. 2021, 1128/17, Meng/Deutschland, und (2.) zur prozessualen Zulässigkeit der Vernehmung von (in Befolgung von Vorschriften zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie) mit Mund- und Nasenschutzmaske bewehrten Zeugen in der Hauptverhandlung unter dem Aspekt des Art 6 MRK.
(1.) Dass ein Richter ein gegen Beteiligte (§ 12 StGB) anhängig gewesenes Strafverfahren erledigt hat, ist nicht per se geeignet, seine Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu setzen.
Wurde allerdings im früheren Urteil mit Bezug auf die (den nunmehrigen Verfahrensgegenstand bildende) Tat des Angeklagten dessen Schuld in einer Weise bewertet, die einer Vorverurteilung gleichkommt, kann – mit der Konsequenz von Ausgeschlossenheit nach § 43 Abs 1 Z 3 StPO – nach den Umständen des Einzelfalls die Annahme begründet erscheinen, dass der betreffende Richter auch angesichts allfälliger gegenteiliger Verfahrensergebnisse nicht gewillt sei, von seiner über den Fall bereits gebildeten Meinung abzugehen.
(2.) Im Zuge der 2020 aufgetretenen COVID-19-Pandemie wurde durch Verordnung vorgeschrieben, zur Vermeidung von Ansteckung in geschlossenen Räumen öffentlicher Orte Mund- und Nasenschutzmasken zu tragen. Im Fall eines in der Hauptverhandlung gestellten Beteiligtenantrags auf Tragen oder Abnehmen solcher Masken gilt § 238 Abs 2 StPO, eine Antragsabweisung unterliegt – unter den dafür normierten Voraussetzungen – der Anfechtung aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO. Dass Angeklagte oder Zeugen während ihrer Vernehmungen generell keine Mund- und Nasenschutzmaske tragen dürften, weil sonst die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht beurteilt werden könne, ist dem Gesetz jedenfalls nicht zu entnehmen.