Zur Unlauterkeit eines Abmahnwesens bei Besitzstörungen
Auch der Betreiber eines Abmahnwesens bei Besitzstörungen, der sich als Prozessfinanzierer sieht, kann dem sog quota-litis-Verbot unterliegen, wenn er seinen Kunden Rechtsberatung erteilt oder versucht, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen.
Die Antragstellerin betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei in Wien und erwirkte in einem Vorverfahren gegen die Zweitantragsgegnerin eine einstweilige Verfügung, mit der dieser untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr im Auftrag Dritter Aufforderungsschreiben an (potenzielle) Besitzstörer zu versenden, mit denen diese zur Abgabe von Unterlassungserklärungen und/oder zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert werden und/oder mit denen Vergleichsangebote für das Absehen von der Einbringung einer Besitzstörungsklage unterbreitet werden, zumal sie damit gegen den Anwaltsvorbehalt verstieß (4 Ob 5/24z).
Die Antragsgegner haben das bisherige Modell dahin modifiziert, dass es durch die automatisiert erfolgte Einschaltung von sogenannten „Partnerrechtsanwälten“ geprägt ist. Den (potenziellen) Kunden wird aber (nach wie vor) unter dem Schlagwort „Wir schützen Ihren Besitz!“ angeboten, dass ihnen bei Besitzstörungen durch Falschparker „schnell und unbürokratisch“ geholfen wird. Nach Meldung durch einen Kunden würden die Halterdaten des Störers ermittelt und die Partneranwälte sich mit ihm postalisch in Verbindung setzen. Wie beim Vorgängermodell würden die Kunden mit Zahlung des Störers bis zu 200 EUR erhalten; es würden keine Kosten für den Kunden anfallen, sodass dieser auch vom Risiko einer etwaigen Klagsführung wegen Besitzstörung (somit von allen Gerichts- und Anwaltskosten) befreit ist. Dem neuen Modell liegen (bzw lagen) Allgemeine Vertragsbedingungen der Erstantragsgegnerin zugrunde, wonach dieser ein Erfolgshonorar von 50% (der vom Störer geleisteten Zahlung) zusteht. Der Kunde befreit den Rechtsanwalt gegenüber der Erstantragsgegnerin vom Anwaltsgeheimnis und bevollmächtigt diese, gegenüber dem Rechtsanwalt rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben sowie diesem auch Weisungen zu erteilen.
Das Rekursgericht bejahte ua einen Verstoß gegen das quota-litis-Verbot nach § 879 Abs 2 Z 2 ABGB, wonach sich ein „Rechtsfreund“ nicht einen bestimmten Teil des Betrages versprechen lassen darf, der der Partei zuerkannt wird.
Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
Nach neuerer Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff des „Rechtsfreunds“ im Sinn des § 879 Abs 2 Z 2 ABGB nicht ausschließlich auf Rechtsanwälte oder sonstige Personen, für die – den anwaltlichen Standespflichten vergleichbare – Standesregeln bestehen. Auch ein Prozessfinanzierer kann dem Verbot unterliegen, wenn dieser seinem Kunden Rechtsberatung erteilt oder versucht, Einfluss auf die Verfahrensführung durch den Anwalt zu nehmen.
Mit Blick auf das festgestellte Weisungsrecht der Erstantragsgegnerin gegenüber ihren Partnerrechtsanwälten, des Umstands, dass diese von den Kunden der Erstantragsgegnerin ihr gegenüber von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden werden und auch wegen der Möglichkeit der Erstantragsgegnerin, dass sie gegenüber den Rechtsanwälten (ohne jegliche inhaltliche Einschränkungen und Rücksprache mit den Kunden) auch rechtsgeschäftliche Erklärungen als Vertreter der Kunden abgeben dürfen, bedarf die Beurteilung des Rekursgerichts keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Vielmehr hat das Zweitgericht aus den referierten Umständen vertretbar abgeleitet, die Antragsgegner (und nicht ihre Kunden oder die Partnerrechtsanwälte) seien „Herr des Verfahrens“ (zur Durchsetzung der Besitzstörungsansprüche). Die Pflicht der Partnerrechtsanwälte, die Interessen ihrer Mandanten umfassend wahrzunehmen (vgl § 9 Abs 1 RAO) war damit deutlich eingeschränkt.