Zurückbehaltungsrecht des Käufers einer Eigentumswohnung
Bei Prüfung der Frage, ob die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts durch einen einzelnen Wohnungseigentümer wegen Mängeln an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage als Schikane zu werten ist, ist auf die gesamten Behebungskosten abzustellen.
Die Beklagten erwarben im Jahr 2012 von der Klägerin, einer Bauträgerin, mit Kauf- und Bauträgervertrag eine Eigentumswohnung. Seit Februar 2019 gab es in der Wohnung der Beklagten selbst keine Mängel mehr, sehr wohl aber solche an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Die Behebung dieser Mängel würde insgesamt 30.194 EUR erfordern, wovon knapp 560 EUR auf die Anteile der Beklagten entfallen.
Die Klägerin begehrt (unter anderem) die Zahlung des noch offen aushaftenden restlichen Kaufpreises bzw Werklohns (aus dem Hauptvertrag) von 20.000 EUR.
Die Beklagten erheben die Einrede des nicht erfüllten Vertrags. Sie seien wegen zahlreicher noch vorhandener Mängel zur Zurückbehaltung berechtigt.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren überwiegend statt, weil die Summe der auf die Anteile der Beklagten entfallenden Kosten zur Behebung der Mängel an den allgemeinen Teilen kein Leistungsverweigerungsrecht (mehr) rechtfertige.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin teilweise Folge und wies den überwiegenden Teil des Klagebegehrens ab. Das grundsätzliche Bestehen eines Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten war im Revisionsverfahren unstrittig. Das Zurückbehaltungsrecht steht nach der Rechtsprechung auch bei Vorliegen geringfügiger Mängel zu, sofern die Ausübung des Rechts nicht zur Schikane ausartet, wobei es keine „fixe Prozentsatzgrenze“ zwischen restlichem Werklohn bzw Kaufpreis und Verbesserungsaufwand gibt.
Zentrale Frage des Revisionsverfahrens war, ob die Beklagten durch Ausübung ihres Zurückbehaltungsrechts die Grenze zur Schikane überschritten haben. Der Oberste Gerichtshof wies darauf hin, dass dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger – von nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – auch dann allein zukommt, wenn die Mängel allgemeine Teile des Hauses betreffen. Das Leistungsverweigerungsrecht dient den Zwecken des Gläubigers und nicht jenen des vorleistungspflichtigen Schuldners und soll Druck ausüben, den Vertrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Daher ist bei Beurteilung der Frage, ob die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts wegen Mängeln an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage als Schikane zu werten ist, der offen aushaftende Werklohn bzw Kaufpreis in ein Verhältnis zu den gesamten Behebungskosten – und nicht bloß zum auf den Anteil des einzelnen Wohnungseigentümers entfallenden Teil – zu setzen.