Der OGH leitet ein Verfahren vor dem EuGH zur Frage ein, ob für das Ausmaß des Urlaubsanspruchs alle Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind
Sind Art 45 AEUV und Art 7 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, wie der im Ausgangsverfahren entgegenstehen, wonach einem Arbeitnehmer, der insgesamt 25 Dienstjahre aufweist, diese aber nicht beim selben österreichischen Arbeitgeber absolviert hat, ein Jahresurlaub nur im Ausmaß von fünf Wochen gebührt, während einem Arbeitnehmer, der 25 Dienstjahre beim selben österreichischen Arbeitgeber erbracht hat, ein Anspruch auf sechs Wochen Urlaub pro Jahr zusteht?
Der Rechtsstreit betrifft die Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten, die nicht beim selben Arbeitgeber, sondern bei unterschiedlichen („anderen“) Arbeitgebern zurückgelegt werden, für die Bemessung des Urlaubsausmaßes.
In Österreich hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf 5 Wochen Urlaub. Nach 25 Dienstjahren beträgt der Urlaubsanspruch 6 Wochen. Vorausgesetzt ist aber, dass die Dienstzeit beim selben Arbeitgeber verbracht wurde. Hat der Arbeitnehmer bei verschiedenen (in- oder ausländischen) Arbeitgebern gearbeitet, so erfolgt eine Anrechnung dieser Dienstzeiten nur im Höchstausmaß von 5 Jahren. Der Kläger (Betriebsrat eines Unternehmens) sieht darin einen Verstoß gegen das Unionsrecht (Europarecht). Aus diesem Grund brachte er eine Klage ein. Sie ist auf die gerichtliche Feststellung gerichtet, dass sämtliche ArbeitnehmerInnen, die unter Zusammenrechnung von Vordienstzeiten aus anderen EU-Mitgliedstaaten von über fünf Jahren insgesamt 25 Jahre an unselbständigen Beschäftigungszeiten aufweisen, einen Anspruch auf die sechste Urlaubswoche haben.
Die Vorinstanzen wiesen die Feststellungsklage ab.
Der Oberste Gerichtshof legte die Rechtssache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Dabei vertritt der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass die in Rede stehende Urlaubsregelung zulässig ist. Dazu führte er (unter anderem) aus:
Aufgrund der den Wortlaut korrigierenden Rechtsprechung liegt keine unmittelbare Ungleichbehandlung vor. Auf den ersten Blick scheint durch die Begrenzung der Anrechnung von Vordienstzeiten bei „anderen“ (in- und ausländischen) Arbeitnehmern eine mittelbare Ungleichbehandlung nicht ausgeschlossen zu sein, weil die Mehrzahl der Wanderarbeitnehmer zunächst bei einem ausländischen Arbeitgeber die Berufslaufbahn beginnen wird. Die Bejahung einer mittelbaren Ungleichbehandlung würde allerdings die Annahme voraussetzen, dass inländische Arbeitnehmer signifikant häufiger beim selben Arbeitgeber bleiben und daher weniger häufig als Wanderarbeitnehmer von der Anrechnungsbeschränkung betroffen sind. Fraglich ist weiters, ob der Beschränkungstatbestand erfüllt ist. Dazu wäre vorausgesetzt, dass ein Wanderarbeitnehmer deshalb von einem Arbeitsplatzwechsel nach Österreich absieht, weil seine bisherige ausländische Dienstzeit nicht zur Gänze auf das Urlaubsausmaß angerechnet wird. Außerdem handelt es sich bei der Anspruchsvoraussetzung (Vollendung von 25 Dienstjahren) um kein aktuelles Ereignis, das die aktuelle Berufsentscheidung beeinflussen wird. Ähnliches gilt für einen potentiellen „Heimkehrer“.
Selbst bei Bejahung einer Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre die zu beurteilende nationale Maßnahme (hier Beschränkung der Anrechnung der Vordienstzeiten bei „anderen“ Arbeitgebern) aus dem Grund der Bindung des Arbeitnehmers an den konkreten Arbeitgeber (Betriebstreue) gerechtfertigt und daher zulässig.