Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), ob das österreichische Zahlungsdienstegesetz (ZaDiG) auf Online-Sparkonten anwendbar ist
Der OGH ersucht den EuGH um folgende Klarstellung zur Zahlungsdienste-Richtlinie (Richtlinie 2007/64/EG): Sind Online-Sparkonten, bei denen der Kunde im Weg des Telebanking Einzahlungen und Abhebungen – nur über ein Referenzkonto – durchführen kann, als „Zahlungskonto“ zu qualifizieren und daher vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst?
Die Klägerin ist ein zur Klage berechtigter Verband (§ 29 Abs 1 KSchG) und beanstandet die von der beklagten Bank im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Sie stützt ihre Klage unter anderem darauf, dass zahlreiche dieser AGB gegen das ZaDiG verstoßen würden. Dieses Gesetz hat die EU-Zahlungsdienste-Richtlinie (Richtlinie 2007/64/EG) umgesetzt.
Die beklagte Bank ist hingegen der Ansicht, dass die Bestimmungen des ersten und dritten Hauptstücks des ZaDiG auf die von ihr angebotenen „Direkt-Sparkonten“ nicht anwendbar seien.
Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung „Direkt-Sparen“ Online-Sparkonten an, auf die der jeweilige Kunde selbsttätig Einzahlungen und Abhebungen im Wege des Telebanking durchführen kann, wobei er diese Überweisungen allerdings über ein auf ihn lautendes Referenzkonto (ein Girokonto in Österreich, nicht notwendig bei der hier beklagten Bank) tätigen muss. Der Kunde kann bei täglicher Fälligkeit (und damit auch ohne negative Auswirkungen auf die Verzinsung) ohne Einschränkung entscheiden, ob, wann und wie viel Geld er vom Referenzkonto auf das Direkt-Sparkonto ein- oder auszahlt. Überträge sind zwar nur zwischen dem Sparkonto und dem Referenzkonto möglich, dadurch wird der Kontoinhaber aber nicht gehindert, jederzeit (und ohne notwendige Beiziehung des Zahlungsdienstleisters) über den auf dem Direkt-Sparkonto erliegenden Geldbetrag zu verfügen.
Der OGH führte zusammengefasst aus:
Laut den Gesetzesmaterialien zum ZaDiG ist das Konzept des Zahlungskontos stets in einem Bezug zu den Zahlungsdiensten zu sehen. So sind Kreditkonten, die vom Kreditgeber in Verbindung mit einem (Hypothekar-)Kredit eingerichtet werden und auf die der Kreditnehmer regelmäßig periodisch wiederkehrende Einzahlungen tätigen muss, keine Zahlungskonten. Wenn das Konto allerdings Kreditfunktion, Einlagenfunktion und Zahlungsfunktion kombiniert, ist es als Zahlungskonto zu qualifizieren. In österreichischen Lehrmeinungen wird zur Qualifikation von Online-Sparkonten als Zahlungskonten im Sinn des ZaDiG unterschiedlich argumentiert. Einige Autoren meinen, maßgeblich sei die freie Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers; nach dieser Auffassung sind Online-Sparkonten vom Begriff des Zahlungskontos erfasst. Andere Stimmen stellen auf die von den Vertragsparteien beabsichtigte und tatsächlich genutzte Funktionalität des Kontos für die Abwicklung von „Zahlungsverkehr“ ab; für Einlagen auf Sparbüchern sei gemäß § 31 Abs 1 BWG die Zahlungsverkehrsverwendung explizit ausgeschlossen; daher könne ein Online-Sparkonto kein Zahlungskonto iSd § 3 Z 13 ZaDiG sein.
Nach Ansicht des OGH ist ein entscheidendes Kriterium für die Qualifikation als Zahlungskonto die freie Dispositionsbefugnis des Kontoinhabers. Die Bezeichnung als „Sparkonto“ allein ist kein Grund dafür, dieses aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Für diese Ansicht spricht auch die revidierte Richtlinie über Zahlungsdienste (Richtlinie 2015/2366/EU); nach deren Anhang I stellt die Ausführung von Zahlungsvorgängen einschließlich des Transfers von Geldbeträgen auf ein Zahlungskonto des Nutzers einen Zahlungsdienst dar.
Da die derzeitige Rechtslage nicht völlig geklärt ist und daher Zweifel bestehen, hat der Oberste Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gestellt.