Zur Haftung des Medieninhabers im Fall eines Shitstorms
Die Grundsätze der tatbestandlichen Handlungseinheit sind auf den Entschädigungstatbestand nach § 6 Abs 1 MedienG zu übertragen.
Erfolgen mehrere iS der üblen Nachrede oder der Beleidigung tatbestandsmäßige Postings Dritter in kurzer zeitlicher Abfolge (quantitative Steigerung einheitlichen Unrechts) aus demselben Anlass, nämlich aufgrund einer sie vorsätzlich hervorrufenden Veröffentlichung des Medieninhabers, der sie thematisch auch zuzuordnen sind (einheitliche Motivationslage), so bilden diese Postings in Bezug auf die Haftung des Medieninhabers bis zu ihrer Löschung eine tatbestandliche Handlungseinheit. Der Medieninhaber macht sich daher für einen solchen einmal in ein- und demselben Medium vorsätzlich von ihm ausgelösten sogenannten „Shitstorm“ (nur) eines Vergehens der qualifizierten üblen Nachrede schuldig, wobei sich dessen Unrechtsgehalt fortwährend sowohl durch Zeitablauf als auch durch das Hinzutreten weiterer solcher Postings steigert.
Diese Grundsätze sind auf den Entschädigungstatbestand nach § 6 Abs 1 MedienG zu übertragen. Danach hat der Betroffene gegen den Medieninhaber Anspruch auf eine Entschädigung für die erlittene Kränkung, wenn in einem Medium der objektive Tatbestand der üblen Nachrede, der Beschimpfung, der Verspottung oder der Verleumdung hergestellt wird. Die Höhe des Entschädigungsbetrags ist nach Maßgabe des Umfangs und der Auswirkungen der Veröffentlichung, insbesondere auch der Art und des Ausmaßes der Verbreitung des Mediums, zu bestimmen, wobei auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers Bedacht zu nehmen ist. Mehrere in kurzer zeitlicher Abfolge aus demselben dem Medieninhaber objektiv zuzurechnenden Anlass im selben Medium zum selben Thema veröffentlichte Postings Dritter, die in objektiver Hinsicht die Tatbestände der üblen Nachrede nach § 111 StGB oder der Beleidigung nach § 115 StGB erfüllen, sind zu einer Verwirklichung des Entschädigungstatbestands (verbunden mit der Verpflichtung zur Zahlung einer den gesetzlichen Kriterien, insbesondere den Obergrenzen entsprechenden Entschädigung) zusammenzufassen.
Indem das Landesgericht und das Oberlandesgericht als Berufungsgericht auf Zuerkennung einer Entschädigung nach § 6 Abs 1 MedienG von 400 Euro pro einzelnem Posting undifferenziert danach erkannt haben, ob mehrere von diesem Ausspruch erfasste Postings jeweils eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden, obwohl dies nach den in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen indiziert war, verletzten sie das Gesetz.